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Was ist eigentlich ein “Accelerator” und brauchen wir ihn in der Arbeitswelt wirklich?

April 11, 2017

Moderne Arbeitskonzepte und -modelle sind gerade schwer en vogue. Begriffe wie Accelerator, Inkubator und Innovation Space in aller Munde – vor allem bei Startups, aber auch immer mehr in den HR- und Strategieabteilungen grosser Unternehmen sowie in öffentlichen Workplace-Veranstaltungen und Diskussionsrunden. Sie sollen vor allem das Wachstum und die Innovationskraft von Unternehmen beschleunigen und steigern. Doch wissen wir wirklich, welche praktischen Massnahmen hinter jedem einzelnen Begriff stecken? Ist das alles nur ein Hype oder der entscheidende Schritt hin zu einer sinnvolleren neuen Arbeitswelt und -weise? Reden wir in zehn Jahren immer noch darüber und – viel wichtiger – werden wir wirtschaftlich wie personell davon profitiert haben? Stefanie Eisenbarth, Team Leader Workplace Strategy JLL Germany, blickt tiefer. 3 Fragen – 3 Antworten:

  

  

Accelerator, Inkubator, Innovation Space – was zeichnet diese Modelle jeweils aus und wodurch unterscheiden sie sich?

Generell geht es bei allen genannten Modellen um ein Ziel: junge Firmen oder Startups zu unterstützen, zu fördern und Wachstum bzw. Produktentwicklung als eine Art Katalysator voranzutreiben. Acceleratoren oder Inkubatoren sind die dahinterstehenden „Institutionen“, die das erst möglich machen. In der Regel sind das Unternehmen, öffentliche oder akademische Einrichtungen oder andere Investoren, die u.a. Arbeitsplätze und Technik bereitstellen, strategisch beraten, ihr Netzwerk teilen oder in wichtigen Themen coachen. Gerade Acceleratoren unterstützen intensiv über einen festgelegten, aber begrenzten Zeitraum – meist in einer Art Boot Camp, in der aus einer eventuell noch eher vagen Idee ein Produkt entsteht, das auf dem Markt funktioniert und an dessen Ende eine Pitch-Runde vor möglichen Investoren stattfindet.

Der Open Innovation Space ist so etwas wie die räumlich-praktische Wirkungsstätte der Accelerator- oder Inkubator-Unterstützung. Er ist eine offene Plattform, ein Ort der Begegnung, des kreativen Austauschs zwischen innovativen Köpfen. Durch diese interdisziplinäre Zusammenarbeit sollen Ideen und Konzepte entstehen, aus denen Erfindungen und Produktentwicklungen hervorgehen können. Mischformen aus den unterschiedlichen Ansätzen sind jederzeit möglich und gängig.

Nutzen auf dem deutschen Markt bisher nur Startups solche Modelle aktiv oder wagen sich auch bereits die ersten etablierten Unternehmen/Konzerne an Innovation Space & Co. heran? Und warum lohnt sich das gerade für Letztere – auch langfristig?

Gerade um frisches Blut durch „verkalkte Adern“ zu pumpen, greifen – vom Startup-Spirit überzeugt – mittlerweile oft auch etablierte Unternehmen auf die neuen Arbeitsumgebungen und Innovationsmodelle zurück. Innovation und Kreativität werden in traditionellen Bürowelten oftmals im Keim erstickt. Deshalb sind z.B. die Mitarbeiter der so genannten Innovationswerkstatt bei Daimler völlig frei von gewohnten Arbeitsschranken und Büros – sie lassen sich von Musik inspirieren, tauschen sich an Stehtischen aus oder knien zeichnend auf dem Boden. SAP und Allianz setzen auf ähnliche Modelle. Weil es sowohl intern die Innovation vorantreibt, als auch von aussen Talente und High Potential anzieht.

Genauso wichtig wie die interne Offenheit ist es für die Big Player zunehmend aber auch, nahe bei innovativen Startups zu sein, sie proaktiv zu beeinflussen und zu unterstützen. Das bringt nicht nur Inspiration und Impulse für die eigene Weiterentwicklung, sondern auch ganz pragmatische Vorteile wie die Auslagerung bestimmter Aufgaben an eben jene Startups oder die durch eine Zusammenarbeit möglich gewordene Erweiterung des eigenen Leistungsangebots.

Für welche Unternehmen und Kooperationen zwischen Unternehmen eignen sich diese Modelle besonders? Gibt es in Deutschland bereits ein gelungenes und erfolgreich gelebtes Beispiel?

Generell lassen sich die genannten Modelle nicht auf bestimmte Branchen eingrenzen. Jedes Unternehmen – aus welchem Geschäftsfeld auch immer – sollte Interesse an Innovation und Weiterentwicklung zeigen. Ganz einfach, um langfristig konkurrenzfähig zu bleiben. Zudem ist durch die steigende Komplexität und disruptive Trends wie die Digitalisierung ein erhöhtes Mass an X-selling in den Firmen bzw. auch zwischen Firmen gefordert. Hierfür sind solche Konzepte und eine geförderte Kommunikation natürlich die Basis.

Bereits erfolgreich gelebte Beispiele gibt es einige. Um neue datenbasierte Geschäftsmodelle zu entwickeln, baut beispielsweise die Deutsche Bahn mit ihrer Mind-Box in Berlin ihre Accelerator-Aktivitäten und Startup-Kooperationen kontinuierlich aus. Auch Mitarbeiter der Bahn erhalten die Möglichkeit, ihre eigenen Geschäftsideen zu verwirklichen und umzusetzen. Zusätzlich treiben regelmässige Hackathons die Weiterentwicklung voran.

Ein Stuttgarter Investor unterstützt vor allem räumlich und schafft damit die Voraussetzungen für inhaltlichen Austausch. Die Factory Berlin wird gezielt dreiteilig genutzt: Unten Gratis-Raum als Starthilfe für frischgebackene Start-ups, dazwischen zum humanen Mietpreis wachsende Unternehmen, die vor allem Austausch und Netzwerkaufbau betreiben wollen, und darüber die Kreativ- und Innovationsteams der Big Player, die bereit sind, für den frischen Ideen-Schub, den sie hier bekommen, Spitzenmieten zu zahlen. Investitionsseitig ein perfektes Modell, um seine Flächen vollständig vermieten zu können und sich mit diesem besonderen Mehrwert für die grossen Unternehmens-Fische interessanter und attraktiver zu machen. Und für die Unternehmen unbezahlbare Inspiration.