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Ein Markt voller Facetten

Der Artikel in der Sonderbeilage Immobilien der «Finanz und Wirtschaft» vom Juni 2024 erläutert die unterschiedlichen Eigenschaften des Schweizer Büromarktes.

Juni 22, 2024
Mitwirkende:
  • Daniel Stocker

Gemäss aktuellen Erhebungen liegt die Angebotsquote in den fünf grössten Büromärkten der Schweiz (Zürich, Genf, Bern, Lausanne, Basel) bei 4,7%. Im Vergleich zur Leerwohnungsziffer (1,15% per Juni 2023) erscheint das hoch, m internationalen Vergleich weist die Schweiz jedoch einen tiefen Büroleerstand auf. In den europäischen Grosszentren London und Paris stehen 8,9 bzw. 8,8% der Büroflächen leer. Diverse vergleichbare Städte wie Dublin oder Stockholm weisen eine Quote oberhalb von 10% auf. Noch extremer präsentiert sich die Situation in den amerikanischen Städten Miami (16,3%), New York (17,5%), Los Angeles (27,3%) und San Francisco (32,4%). Aus internationaler Perspektive wirkt der Schweizer Büroleerstand moderat, zumal freistehende Flächen ebenso wie die Verfügbarkeit von Arbeitskräften eine wichtige Grundlage für die Unternehmensexpansion sind.

Beliebte Innenstädte

Bei genauerer Betrachtung zeigt der Schweizer Büromarkt aber verschiedene Facetten. Es besteht eine anhaltende Nachfrage nach Büros an zentralen Standorten, entsprechend weisen die Innenstadtlagen/CBD (Central Business District) in fast allen Städten eine sehr tiefe Leerstandsquote auf. Als Konsequenz davon sind die Spitzenmieten in nahezu allen Büromärkten über die vergangenen Jahre gestiegen. In Zürich und Genf liegen sie mittlerweile zwischen 900 und 1’000 Fr./m2 und Jahr (netto). In den meisten Agglomerationsgemeinden würde ein Viertel dieses Betrags für ein durchschnittliches Büro ausreichen. Trotzdem ist an den teuren Lagen eine stärkere Nachfrage spürbar, während in suburbanen Gebieten die Bürovermietung schleppender vonstattengeht.

In der Region Zürich sind 5% der Büroflächen verfügbar. Während 2,6% im Kreis 1 und 2,3% der Flächen in Zürich-West leerstehen, liegt die Quote in Oerlikon (7,7%), Kloten (6,4%), Wallisellen (10,8%) und vor allem Opfikon/Glattbrugg (28,6%) markant höher. In Genf gestaltet sich die Bürosuche im CBD bei einer Angebotsquote von 3,4% ebenso anspruchsvoller als in der Flughafenregion (15,4%). Vergleichbare Tendenzen findet man in Lausanne, Bern, Zug und Luzern, wo die Leerstandsquote in der Innenstadt jeweils unterhalb von 1,5% liegt, im Gegensatz zu einer grösseren Angebotsvielfalt ausserhalb der Zentren. Bei Mietvertragsverhandlungen für Flächen an Innenstadtlagen sind Immobilieneigentümer also meistens in einer komfortablen Position. Umgekehrt können Mietinteressenten an dezentraleren Standorten bei einem Vertragsabschluss auf das Entgegenkommen der Vermieter in Form von mietfreien Monaten und einer teilweisen Übernahme der Mieterausbaukosten hoffen.

Ein anderes Bild zeigt sich in Basel. Dort verdreifachte sich das Büroangebot zwischen 2018 und 2020, wodurch die Angebotsquote von 1,8 auf 5,7% stieg und seither um den Wert von 5,5% schwankt. Ein massgeblicher Auslöser dieser Zunahme war der Bezug des zweiten Roche-Hochhauses respektive die daraus resultierende Aufgabe diverser Standorte mit mehreren zehntausend Quadratmeter in der Innenstadt. Entgegen dem weitverbreiteten Trend stehen in Basels Zentrum mit 6,6% überdurchschnittlich viele Büros leer.

Angriff auf den Superzyklus

Noch Anfang 2022 konnte der Schweizer Immobiliensektor auf eine Dekade mit Rückenwind zurückblicken. Dank stetigem Kapitalzufluss verfolgten die meisten Anlagegefässe eine Wachstumsstrategie, parallel wurden neue Vehikel lanciert, und der Marktwert der Liegenschaften bewegte sich nur in eine Richtung.

Dann trat ein Szenario ein, das viele Marktakteure ausgeblendet hatten: Binnen kurzer Frist stiegen Inflation und Zinsen sowie insbesondere Bau- und Fremdfinanzierungskosten in ungeahnte Höhen, der Kapitalzufluss brach ab, und plötzlich war die Verkäuflichkeit gewisser Objekte arg beeinträchtigt. Der Immobilien-Superzyklus wurde von verschiedenen Seiten angegriffen. Besonders betroffen waren Büroimmobilien. Hybride Arbeitsplatzformen haben zu einem globalen Siegeszug angesetzt, der zukünftige Bürobedarf steht auf wackligen Beinen, entsprechend agierten viele Anleger zurückhaltend mit Investitionen in Büroimmobilien.

Diese Vorsicht ist insbesondere in einem Umfeld mit hohen Leerstandsrisiken nachvollziehbar, beispielsweise in vielen amerikanischen Märkten. Falls dann zusätzlich die Baupipeline noch gut gefüllt ist und die Immobilien hoch belehnt sind, kann das Fundament von Büroimmobilien mehr als nur Risse erhalten.

Panik ist Fehl am Platz

Die Rahmenbedingungen in der Schweiz sind jedoch nicht ganz so dramatisch. Erstens bewegen sich die Leerstandsquoten mit Ausnahme einiger Teilmärkte auf überschaubarem Niveau, und die Flächennachfrage ist bisher intakt geblieben. Zweitens hat sich die Baudynamik bereits vor der eingeleiteten Trendwende verlangsamt, womit in den kommenden Quartalen weniger neue Flächen auf den Markt kommen als in den Vorjahren. Ein Anstieg des Büroleerstands ist zwar in gewissen Regionen durchaus wahrscheinlich. Insgesamt dürfte die Marktstabilität dadurch aber nicht beeinträchtigt werden. Drittens verfügen die heimischen institutionellen Investoren dank einer hohen Eigenkapitalquote über eine gewisse Stressresistenz.

Dennoch sollte nicht ausgeblendet werden, dass es auch hierzulande Objekte gibt, die vor schier unlösbaren Herausforderungen stehen. Namentlich unsanierte, nicht nachhaltigkeitskonforme Gebäude mit unflexiblem Grundriss, die fernab des Stadtzentrums liegen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln schlecht erreichbar sind. Falls solche Büroimmobilien ihre Mieter verlieren, besteht die letzte Alternative oftmals in einer Umnutzung – falls sie rechtlich zulässig und wirtschaftlich sinnvoll ist.

Die Angebotsknappheit und der Mietpreisanstieg im Wohnungsmarkt lassen sich im Bürosektor – von spezifischen Teilmärkten in den Zentren abgesehen – nicht beobachten. Das bedeutet jedoch nicht, dass Unternehmen bei Suche nach neuen Standorten keine Kompromisse eingehen müssen. Entgegen der landläufigen Meinung sind qualitativ hochwertige Büros an gut erschlossenen Lagen nicht beliebig verfügbar. Umso weniger, wenn der Anforderungskatalog umfasst, dass die Flächen auf derselben Ebene und nicht über mehrere Etagen verteilt sein sollen und ebenso höchsten Nachhaltigkeitskriterien gerecht werden sollen. Der Umzug in neue, passende Büroräumlichkeiten nimmt daher oft auch mehrere Monate in Anspruch, wie das bei der Wohnungssuche mittlerweile üblich ist.

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