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Credit Crunch am Hypothekarmarkt – der Elefant im Raum?

Lars Frölich und Benjamin Hauri von JLL Schweiz beurteilen die aktuelle Situation auf dem Transaktionsmarkt.

Juli 16, 2024

Der Transaktionsmarkt für Renditeliegenschaften ist im ersten Halbjahr 2024 in der Schweiz sehr dynamisch und fast schon ein wenig euphorisch verlaufen. Die positive und optimistische Grundstimmung vom letzten Jahreswechsel hat sich bewahrheitet. Die Schweizer Nationalbank hat inzwischen zweimal die Leitzinsen gesenkt, Kapitalerhöhungen (der Schmierstoff für den Transaktionsmarkt) funktionieren nicht nur sondern werden bei renommierten Vehikeln sogar überzeichnet und die Schweizer Nationalmannschaft hat sensationell attraktiven Angriffsfussball gespielt.

Zumindest die beiden erstgenannten Punkte hätte man vorwegahnen können basierend auf der Entwicklung des 5-jährigen-Swaprate am Kapitalmarkt. Wie in der Abbildung 1 (dunkelblaue Linie) zu sehen ist, ist diese bereits Ende 2023 nachhaltig gesunken. Die mehrheitliche Markterwartung waren sinkende Zinsen – und damit das Fundament für das wahrgenommene positive Marktsentiment, was wir heute bestätigen können. 

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Die erste diesjährige Zinssenkung der SNB am 21. März und in Teilen auch noch der zweite senkende Zinsschritt am 20. Juni kam für manche Investoren aber ähnlich überraschend wie die Leitzinserhöhungen im Sommer und Herbst 2022. Die Überraschung hat 2022 den einen oder anderen Marktakteur in eine Art Schockstarre versetzt. Die Überraschung 2024 hat hier und da hingegen zu FOMO geführt: Fear Of Missing Out. Investoren spüren wieder Anlagedruck, rechtzeitig zu möglichst guten Konditionen im Immobilienmarkt zu investieren.

Die viel zitierte Grundstimmung der Investorengemeinde hat sich definitiv zum Positiven verändert. Die Kehrtwende weg von tendenziell fallenden Preisen wurde in den meisten Marktsegmenten – Nutzungsarten und Regionen – spätestens mit der Zinssenkung im Juni 2024 vollzogen. Der Tiefpunkt bei vielen Anlageklassen ist durchschritten.

Wie bereits im abgelaufenen Kalenderjahr 2023 sind vermögende Privatanleger, die teilweise sehr ähnlich wie institutionelle Anleger agieren und bei der Professionalität definitiv nicht nachstehen, die aktivste Investorengruppe. Dies zumindest bei der Betrachtung der bei JLL eingereichten Gebote und Anzahl abgeschlossener Transaktionen. Manche dieser privaten Investoren waren vor dem Jahr 2023 zwei, drei oder mehr Jahre am Transaktionsmarkt inaktiv und nutzen nun seit einigen Monaten die Gunst der Stunde für das Portfoliowachstum. Zunehmend werden Anlagestiftungen, einzelne PKs und Fonds auch wieder aktiver. Insbesondere jene Akteure, die bereits wieder erfolgreich neues Kapital aufnehmen konnten. Diese Marktteilnehmer haben jedoch ein tendenziell homogenes Suchprofil betreffend Nutzung, Lagequalität, Vermietungsstand, Nachhaltigkeit und Modernität.

Generell sind Wohnliegenschaften sehr gesucht. Neben A-Lagen auch B- und C-Lagen, da diese vom Spillover-Effekt aus den Grosszentren und der nachhaltig steigenden Nachfrage nach Wohnraum profitieren und attraktive Cash-Flow-Chancen bieten. Auch Büro-, Gewerbe-, Logistik-, Alterswohnen- und Gesundheitsimmobilien erfreuen sich einer wieder steigenden Investorennachfrage. Alles jedoch nach wie vor auf moderatem Preisniveau und bei nach wie vor tieferer Nachfrageliquidität als vor der Zinswende.

Die derzeit aktivsten Käufergruppen sind zum grossen Teil auf Fremdkapital als Hebel zur Optimierung der Eigenkapitalrendite angewiesen. Der Abbildung 1 ist auch zu entnehmen, dass im Q4 2023 die Fremdfinanzierungskonditionen für Liegenschaftszukäufe zu sinken begannen, wobei sich der Zinssatz für 5-jährige festverzinste Hypotheken (hellblaue Linie) sich seit Dezember 2023 auf dem Niveau von ca. 2.3% seitwärts bewegt. Seit dem Jahresanfang 2024 konnte beobachtet werden, dass die Swap-Rate zwar weiter gesunken ist, die Hypothekarzinssätze jedoch auf dem gleichen Niveau verharrten. Daraus wird ersichtlich, dass Banken ihre Margen erhöhen konnten. Wider Erwartungen hat die Leitzinssenkung vom 21. März 2024 nicht zu günstigeren Fremdfinanzierungsätzen bei Liegenschaftskäufen beigetragen.

Die für die Abbildungen verwendeten Nationalbankdaten beinhalten sowohl Hypotheken an professionelle Renditeinvestoren (B2B) sowie an Selbstnutzer von Wohneigentum (B2C). Die effektiven Kreditkosten und Margen sind durchaus stark unterschiedlich zwischen diesen beiden Kreditnehmergruppen. Im Tagesgeschäft bei B2B-Transaktionen ist zu beobachten, dass Banken ihre Margen zum Teil signifikant erhöht haben, Beleihungsobjekte tiefer bewerten und konservativere Finanzierungslevel anbieten. Die Hintergründe sind vielfällig und je nach Marktakteur unterschiedlich gewichtet. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Basel-IV-Regulierung, die mehr Eigenkapitalunterlegung bei den Banken fordert, damit einhergehende oder anderweitig strategisch entschiedene Reduzierung oder Stabilisierung des gesamten Hypothekarvolumens von Fremdkapitalanbietern sowie die Konsolidierung im Bankensektor.

Das gesamte inländische Hypothekarkreditvolumen ist in den 14 Jahren von Januar 2009 bis Dezember 2022 im Durchschnitt um rund 3.9% p.a. gewachsen. Im Gesamtjahr 2023 war das Wachstum nur 2.45% und in den ersten vier Monaten 2024 war das annualisierte Wachstum 2.48%. Zieht man zusätzlich in Betrachtung, dass der B2C-Hypothekarmarkt stabiler verläuft, zeigt dies das ausgebliebene Hypothekarwachstum im B2B-Markt für Renditeinvestoren umso mehr.

Auch kleine Erhöhungen der Fremdkapitalkosten um wenige Basispunkte oder eine Reduktion der Belehnung wirkt auf die Renditeanforderung der Anleger bei einer Immobilieninvestition. Auf einem tiefen Anlagerenditeniveau haben kleine Erhöhungen der Kapitalkosten somit Renditeanforderungen eine grosse Auswirkung auf die Bewertung respektive auf die Möglichkeit eines aggressiven Preisangebots.

Das Ausbleiben von sinkenden Hypothekarkosten sowie restriktivere Hypothekargeber wirken dämpfend auf die Euphorie und den Optimismus der auf Fremdkapital angewiesenen Käufergruppen im Ankaufsverfahren von Renditeimmobilien. Dieser Elefant im Raum kann sich als schwarzer Schwan oder auch nur als Rationalitätssicherung für den nächsten Zyklus entpuppen. Oder um es abschliessend wieder in der Sportsprache des Fussballs zu sagen: Spielverderber oder Schiedsrichter?

Kontaktieren Lars Frölich

Executive Vice President Capital Markets

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