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Investmenttrend Pflegeheim: Viele Betten, Privatsphäre oder Wandelbarkeit zum Hotel oder Büro – was muss die „seniore“ Immobilie können?

Juli 19, 2018

Mangel an Wohnraum. Kein Zweifel. Wir werden immer älter – und damit auch zunehmend länger pflegebedürftig. Auch keine ganz neue Erkenntnis. Die logische Konsequenz aus beidem: Ein Investment in eine Pflegeheim-Immobilie scheint mit Blick auf die künftige Wertentwicklung des eigenen Portfolios eine äusserst sinnvolle Alternative zur klassischen Wohn- oder Büroanlage zu sein. Schliesslich soll die Zahl der über 80-Jährigen in den kommenden 20 Jahren um fast fünfzig Prozent steigen – und mehr als vier Millionen Menschen pflegebedürftig sein. Nochmal weitergedacht, kommen auch irgendwann die Baby-Boomer ins entsprechende Alter und werden den Anteil derjenigen, die einen Platz im Pflegeheim brauchen, einmal mehr deutlich erhöhen.

     

     

Eine vollkommen sichere Sache also. Auf den ersten Blick. Auf den zweiten ist das Ganze dann aber doch nicht ganz so einfach. Denn nicht überall wird es künftig gleich viele Pflegebedürftige geben. In bestimmten Kreisen sinkt sowohl die Bevölkerung insgesamt als auch die Zahl der älteren Generation – hier kann es also durchaus zu einem Überangebot an Pflegeplätzen kommen. Ausserdem lässt sich – auch in den Regionen mit wachsender alter Generation – nicht immer eine ganz genaue Vorhersage treffen. Wer kann heute schon ahnen, wo es „die in 30 Jahren Alten“ dann hingetrieben hat? Ausserdem funktioniert nicht jedes Pflegeheim-Konzept in jeder Region. Richtlinien z.B. zur Einzelzimmerquote, zum Brandschutz oder generellen Heimgrösse variieren von Bundesland zu Bundesland und unterliegen häufigen Änderungen, Anpassungen und Erweiterungen.

Sollte eine Pflegeheim-Immobilie deshalb vor allem so flexibel wie möglich sein? Spontan wandelbar und sich entweder an die Bedürfnisse einer „neuen alten Generation“ anpassen können – denn auch die Digital Natives irgendwann einmal fremde Hilfe brauchen. Muss dann alles digitaler werden? Wie muss sie geplant sein, um schnell neue Richtlinien adaptieren zu können? Sollte sie sich gar in ein Büro oder ganz normales Wohngebäude umnutzen lassen können, wenn in der betreffenden Region irgendwann wieder weniger Pflegeplätze gebraucht werden? Oder sind es ganz andere Faktoren, die über eine langfristig stabile Wertanlage entscheiden?

Zentral, zeitgemäss, hochwertig und sogar Roboter-Haustiere? Die Zukunft des Pflegeheims

„Mit Blick aufs Investment und das „Was lohnt sich“ spielen eigentlich immer dieselben Schlüssel-Fragen eine Rolle“, sagt Peter Tölzel, National Director Health Care Valuation Advisory JLL Germany. „Wie zentral, belebt und mit ÖPNV erreichbar ist die Lage? Wie hoch ist der Investitionskostenanteil am Pflegesatz und die Auslastung – auch im Vergleich zu Konkurrenzobjekten? Verbleibt dem Betreiber nach Pacht noch eine angemessene Marge für Risiko und Gewinn? Und wie zeitgemäss ist das Gebäudekonzept – auch mit Blick in die Zukunft.“ „Die Lebensgewohnheiten der Generationen ändern sich zwar im Wandel der Zeit, jedoch sind die Bedürfnisse pflegebedürftiger Menschen oft etwas reduzierter als in jüngeren Jahren“, ergänzt hier Dr. Konstantin Kortmann, Head of Residential Investment JLL Germany. „Dennoch lassen sich beispielsweise Breitbandanschluss und WLAN in jedem Gebäude einfach nachrüsten.“

Also keine umfassende Digitalisierung im Pflegeheim? „Doch“, so Kortmann weiter. „Aber das sehe ich weniger bei den Bewohnerbedürfnissen, sondern mehr mit Blick auf den Bedarf an Pflegekräften. Hier sind massive Weiterentwicklungen durch künstliche Intelligenz zu erwarten – z.B. künstliche Tiere als Gefährten oder die Pflegekräfte unterstützende Roboter. Und das bringt dann natürlich auch veränderte Anforderungen an die Immobilie selbst mit sich, wie entsprechende Sicherheitsvorkehrungen und Anschlüsse für Ladestationen etc.“

„Den Bewohnern bzw. deren Angehörigen selbst geht es heute im Vergleich zu früher vor allem um eine verbesserte Wohnraumqualität und Privatheit“, sagt Peter Tölzel. „Einzelzimmer mit eigenem en-suite-Bad werden immer mehr vorausgesetzt, Doppelzimmer sowie Gemeinschaftsbäder kaum mehr akzeptiert. Moderne Pflegeheimgrundrisse sind erstaunlich ähnlich zu heutigen Studentenwohnheimen.“ Entsprechend herausfordernd für Eigentümer von Bestandsimmobilien. „Trotz meist bestehendem Bestandsschutz sind zu viele Doppelzimmer, Gemeinschaftsbäder oder unterdimensionierte Zimmer und zu kleine Gemeinschaftsflächen langfristig nicht zukunftsfähig. Auch vermeintlich selbstverständliche Dinge wie ausreichend dimensionierte und zuverlässig funktionierende Aufzüge mit durchgehend barrierefreiem Zugang aller Bereiche sind nicht immer vorhanden. Hier ist es wichtig, abzuklären, mit welchem Aufwand entsprechende Anpassungen möglich sind. Denn schon bei kleineren Umbauten entfällt teilweise der Bestandsschutz.“

Und Kortmann ergänzt: „Die Anforderungen an die bauliche Struktur werden sich vor allem im rechtlichen wie technischen Umfeld ändern – vor allem hinsichtlich Einzelzimmerregelungen in den einzelnen Bundesländern, aber auch Weiterentwicklungen im Brandschutz.“

Aber was ist mit der Wandlungsgabe der Pflegeheim-Immobilie? Muss schon in der Planung mitbedacht werden, dass auch Büro oder Hotel hier einmal einziehen könnten, wenn in der betreffenden Region der Bedarf an Pflegeheimen sinkt? Und wie soll das dann bei bestehenden Gebäuden gehen?

„Aus Sicht des Pflegeheim-Betreibers ist die Immobilie dann ideal, wenn sie ihm einen möglichst effizienten Betrieb des Heimes ermöglicht“, sagt Konstantin Kortmann. „Und das bedeutet für die bauliche Struktur vor allem zentrale Erschliessungsachsen mit mehreren Flügeln, klar begrenzte Flure und Gemeinschaftsflächen sowie grundsätzlich eine ausreichend grosse Menge an Plätzen – und das am besten auf einer möglichst kleinen Fläche.“

„Flexibilität – oder eben die Wandlungsgabe hin zu anderen Nutzungsformen – spielt meiner Meinung nach derzeit nur eine untergeordnete Rolle, auch wenn Immobilien generell gut daran tun, flexible Raumstrukturen zuzulassen“, so Kortmann weiter. „Eigentlich ist es auch eher anders herum: Gebäude, die vorher Hotel, Krankenhaus, Erholungsheim oder Büro waren, werden zu Pflegeheimen. Pflegeheime selbst werden am Ende eher abgerissen.“ Hinzu kommt, dass gerade das seniore Gebäude ganz spezifischen Anforderungen unterliegt, sowohl hinsichtlich der Barrierefreiheit als auch, was die Grösse der Gemeinschaftsflächen oder Badezimmer angeht. Eine Umnutzung zum Pflegeheim und vom Pflegeheim zum Hotel oder Büro ist deshalb nur sehr begrenzt möglich und immer mit hohem Aufwand verbunden.

Hat die Assetklasse Zukunft – trotz ihrer extremen gebäudetechnischen Spezifika?

„Pflegeheime sind zweifelsohne eine attraktive Anlage und bereichernd für ein gut performendes Portfolio“, sagt Peter Tölzel. „Sie bieten aktuell höhere und stabilere Renditen als viele andere Assetklassen. Und stehen für extrem langfristige Mietverträge, häufig mit Laufzeiten von 20 bis 30 Jahren.“ Eine Tatsache, die umso reizvoller wird, wenn man auf momentane Trends bei z.B. Büroimmobilien blickt, wo Nutzer – auch getrieben durch Entwicklungen wie Coworking & Co. – verstärkt flexiblere Mietbedingungen mit kürzeren Laufzeiten nachfragen.

„Aufgrund der starken Dynamik in der Alterung der Bevölkerung hat die Assetklasse sehr grosse Erfolgsaussichten“, sagt auch Konstantin Kortmann. „Ein Trend, den man hinsichtlich Planung und Ausrichtung immer im Blick behalten sollte: Der Anteil an wenig selbstständigen Bewohnern von reinen Pflegeheimen steigt deutlich. Das liegt auch daran, dass es immer mehr Angebote für ältere Menschen gibt, die es ihnen erleichtern, länger „Daheim“ zu bleiben, wie z.B. durch die Hilfe von Pflegediensten, Essen auf Rädern oder generationenübergreifendes Wohnen – auch wieder ein spezielleres Immobilienkonzept.“

Fazit

Eine überaus interessante und kommende Anlage-Alternative – mit einem allerdings sehr heterogenen und nicht auf den ersten Blick zu durchdringenden Markt. Es empfiehlt sich daher, vor der Entscheidung für ein Investment oder eine bestimmte Immobilie, die Gegebenheiten, rechtlichen Rahmenbedingungen und demografischen Entwicklungsprognosen in verschiedenen Regionen genau zu studieren. Einen ersten Überblick gibt unser aktueller Report.

Von Antje Dalichow