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Impliziert eine starke Bautätigkeit hohe Leerstände?

Gemeinden wie Huttwil, Langenthal, Martigny, Moutier oder Chiasso zeigten hohe Wohnungsleerstände. Was waren die Ursachen und wie sah die weitere Entwicklung aus?

Februar 27, 2023

In der aktuellen Diskussion um Wohnungsknappheit geht vergessen, dass noch keine drei Jahre vorübergezogen sind, seitdem Schlagworte wie «überbordender Bauboom», «Huttwilisierung», «verwaiste Wohnungen» oder «überflüssige Wohnungen» durch die Schweizer Immobilien- und Presselandschaft kreisten. Mit Lockangeboten wie einem geschenkten TV-Gerät, der Übernahme von Umzugskosten oder Gutscheinen bei Möbelanbietern wurde nach neuen Mietern Ausschau gehalten. Diese Zeiten scheinen nun hinter uns zu liegen, wie ein Blick durch aktuelle Inserate bestätigt.

Wie haben sich die Wohnungsleerstände entwickelt?

In der Schweiz stieg die Leerwohnungsziffer von 2009 bis 2020 kontinuierlich von 0.9% auf 1.7%, in den letzten beiden Jahren wurden jeweils Rückgänge gemessen. Aktuell liegt die Leerwohnungsquote bei 1.3% und insbesondere in urbanen Gebieten zeichnet sich ein zunehmender Engpass an verfügbarem Wohnraum ab.

Während sich der Leerstand in und um die grossen Wirtschaftszentren stets auf tiefem Niveau bewegte, wurden in einigen Gemeinden abseits der grossen Städte zumindest phasenweise sehr hohe Leerstandsquoten gemessen. Es drängt sich die Frage auf, ob sich dort im Zuge der nun verstärkten Wohnungsknappheit die Leerstände reduziert haben.

Die Antworten darauf fallen unterschiedlich aus. Die heute 5'000 Einwohner umfassende Gemeinde Huttwil beispielsweise geriet 2017 bis 2019 mit Leerstandsquoten von 11.6%, 14.7% und 8.2% in den Fokus. Mittlerweile reduzierte sich dort das Überangebot schrittweise, zuletzt standen noch 4.5% der Wohnungen respektive 118 Einheiten leer. Das ist zwar immer noch eine beachtliche Menge, aber bedeutend weniger als 2018. Von 2000 bis 2013 war die Neubauproduktion in Huttwil nicht mal ein Drittel des schweizerischen Mittelwerts (1.0% des Wohnungsbestands pro Jahr). Zwischen 2014 und 2017 verfünffachte sich die jährliche Anzahl neu erstellter Wohnungen in Huttwil gegenüber den Jahren davor. Der Leerstand war ein Ergebnis dieser für den Ort ausserordentlich hohen Bautätigkeit.

In Langenthal schwankte die Leerwohnungsziffer von 2015 bis 2020 zwischen 4.5% und 5.6%. Im nationalen Vergleich werden in Langenthal zwar ebenfalls eher wenig neue Wohnungen gebaut. Allerdings war die Produktion von 2010 bis 2016 um 50% höher als in den zehn Jahren davor und trieb damit den Leerstand hoch. Mittlerweile hat sich dieser Trend jedoch abgeschwächt und die Leerstandsquote in der 15'800 Einwohner grossen Stadt sank 2022 auf 2.2%.

Martigny weist eine Bevölkerung von 20'500 Einwohnern auf. Zwischen 2010 und 2020 wurden über 2'100 neue Wohnungen erstellt, das jährliche Bevölkerungswachstum der letzten zehn Jahren beträgt überdurchschnittliche 1.5%. In den ersten Jahren dieses Baubooms wurde viele Wohnungen absorbiert. Seit 2019 stieg die Leerwohnungsziffer jedoch stark von 2.2% auf zuletzt 8.0% im Jahr 2022.

In Amriswil war die jährliche Neubauproduktion 2015 bis 2020 doppelt so hoch wie in den 15 Jahren zuvor. Die Leerwohnungsziffer stieg von 1.6% im Jahr 2014 auf 8.8% im Jahr 2020. Zuletzt erfolgte jedoch ein starker Rückgang, 2022 betrug die Quote noch 3.7%. Ähnlich wie in Martigny ist die Bevölkerung in Amriswil (14'300 Einwohner) mit +1.5% überdurchschnittlich stark gewachsen und weist ebenfalls eine eher jüngere Altersstruktur auf.

Dass eine hohe Bautätigkeit nicht zwingend zu sehr hohen Leerständen führen muss, zeigt sich in der 25'100 Einwohner grossen Stadt Bulle. Seit dem Jahr 2000 wurde jedes Jahr durchschnittlich 2.7% des Wohnungsbestand zusätzlich neu gebaut (Schweiz: +1.0%), die Bevölkerung wuchs in den letzten zehn Jahren um durchschnittlich +2.8%. Dennoch stieg die Leerwohnungsziffer auf maximal 3.0% im Jahr 2019 und ist seither auf 1.6% gesunken.

Hohe Leerstandsquoten wurden auch in Chiasso und Moutier verzeichnet. Diese beiden Gemeinden zeichnen sich durch ähnliche Eigenschaften auf. Mit 7'400 bzw. 7'300 Einwohnern und einer vergleichsweise überalterten Bevölkerungsstruktur weisen beide Gemeinden in den letzten zehn Jahren ein negatives Bevölkerungswachstum von jährlich -0.4% respektive -0.3% auf. Im jurassischen Ort wurde 2018 eine Leerwohnungsziffer von 9.8% gemessen, in der Tessiner Grenzgemeinde im Jahr 2022 gar 10.2%. Die hohen Leerstände lassen sich jedoch nicht mit einer hohen Bautätigkeit begründen, den diese fällt im Vergleich zur Schweiz geringfügig aus (0.2% des Bestandes in Moutier bzw. 0.5% in Chiasso). Umso mehr, als die Leerstandsquoten über die letzten 22 Jahre in Moutier bei durchschnittlich 4.9% liegen und in Chiasso bei 4.5% (Schweiz: 1.2%).

Starke Bauaktivitäten müssen nicht unmittelbar hohe Leerstände zur Folge haben. Bei Überproduktionen können diese zwar kurzfristig ansteigen. Sofern die Qualitäten und Rahmenbedingungen jedoch ansprechend sind und die Bautätigkeit nicht anhaltend hoch bleibt, fallen die Leerstandsquoten meistens wieder auf ein tieferes Niveau zurück.

Ein interessanter Faktor bei den betrachteten Gemeinden bildet offenbar die Altersstruktur: Während in Chiasso (durchschnittliches Alter der Bevölkerung: 48.6 Jahre) und Moutier (Ø 44.3 Jahre) trotz geringer Bautätigkeit die Leerwohnungsziffer hoch bleibt, konnten in Bulle (Ø 38.8 Jahre) oder Amriswil (Ø 41.1 Jahre) die neu erstellten Wohnungen überwiegend gut absorbiert werden.

Contributor:
Daniel Stocker

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