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Bedeutung von Rechenzentren nimmt stark zu − für Investoren und für Corporates

Der große Renditeabstand zu anderen Immobilienarten und die immer weiter steigende Relevanz von Daten für Wirtschaft und Gesellschaft machen Data Center zunehmend auch für Investoren interessant. Betreiber verkaufen bislang selten, Corporates bald öfter.

Februar 28, 2022

Noch sind sie ein Nischenprodukt, doch immer mehr Investoren interessieren sich für Rechenzentren. Das liegt vor allem am großen Renditeabstand zu anderen Immobilienarten: Investoren können mit Anfangsrenditen von 3,5 % bis 7 % rechnen. Gleichzeitig spricht die immer weiter steigende Relevanz von Daten für Wirtschaft und Gesellschaft für die langfristig anhaltende Bedeutung von Data Centern. Corporates indes müssen im Rahmen ihrer Digitalisierungsstrategie ihre bisherige Nutzung von Rechenzentren auf den Prüfstand stellen, denn Rechenzentren sind Spezialimmobilien, deren Betrieb spezifische Anforderungen stellt. 

Data Center sind das Rückgrat der (Digital-)Wirtschaft

Die Corona-Krise hat die existenzielle Bedeutung einer hoch leistungsfähigen Telekommunikationsinfrastruktur noch einmal verdeutlicht. Viele Bereiche, die die Datenströme künftig noch weiter drastisch ansteigen lassen werden, stehen derweil noch relativ am Anfang ihrer Entwicklung, z. B. das IoT (Internet of Things), 5G, Autonomes Fahren, Künstliche Intelligenz, Virtual Reality oder Smart Cities. Rechenzentren stellen dabei das Rückgrat der (Digital-)Wirtschaft dar. Die ihnen anvertrauten Daten sind immer und überall verfügbar, Raum und Zeit sind quasi aufgehoben.

Einstiegshürde für Investoren

Es gibt mehr als 50.000 Rechenzentren in Deutschland − für Investoren relevant ist aber nur ein Bruchteil, nämlich Anlagen von Rechenzentren-Betreibern. Die Rechenzentren selbst haben allerdings sehr spezifische raumbezogene Anforderungen. Und es handelt sich um Spezialimmobilien, für die eine besondere Expertise notwendig ist. Das betrifft neben den Anforderungen an Lage, Strom- und Glasfaserverfügbarkeit auch die technische Ausstattung sowie die Betriebsmodelle. Letztere beschreiben das Verhältnis des Betreibers zum Eigentümer der Immobilie: Die spezifischen Charakteristika und die typischen Vertragsstrukturen bei Betriebsmodellen wie etwa „Powered shell & core", „Fully fitted" oder „Operational Business" dürften selbst erfahrenen Immobilieninvestoren eher unbekannt sein.

Hinzu kommen Nutzungsmodelle, die das Verhältnis zwischen dem Betreiber eines Data Centers zu seinen Kunden beschreiben: Colocation-Rechenzentren können zugleich als Cloud-Rechenzentren dienen, und ein Cloud-Anbieter kann sein Geschäftsmodell in einem Hyperscale-Rechenzentrum betreiben − spätestens dann sollte die Verwirrung komplett sein, wenn man nicht mit dem Thema vertraut ist. 

Mehr über die verschiedenen Betriebs- und Nutzungsmodelle sowie Zahlen und Trends zu Data Centern finden Sie im aktuellen JLL-Report Rechenzentren in Deutschland | Hotspot Frankfurt – Leitthema Nachhaltigkeit.

Somit ist es auf den ersten Blick nachvollziehbar, dass die meisten Anleger bislang nicht in Datenzentren interessiert sind, die damit noch ein Nischenprodukt auf dem Immobilien-Transaktionsmarkt darstellen. Zumal viele Betreiber Grundstücke komplett aus Eigenmitteln kaufen und die Standorte anschließend im Eigentum halten. Eigentümerwechsel finden bislang meist im Rahmen von Mergers & Acquisitions statt. In Fällen direkter Immobilientransaktionen reicht die Spanne der Nettoanfangsrenditen von 3,50 % bis 7,00 %, in Einzelfällen darüber hinaus. Dabei unterscheiden sich die Ansätze zur Preisfindung je nach Betriebsmodell und die einzelnen Betriebsmodelle spiegeln die spezifischen (Investoren-)Risiken wider. Bei „Powered shell & core" beispielsweise liegt die Nettoanfangsrendite in der Regel zwischen 5,00 und 7,00 %.

Veränderungen bei Corporates 

Neben den kommerziellen Datenzentren professioneller Betreiber gibt es in Deutschland unzählige Corporate-Rechenzenten. Dabei handelt es sich überwiegend um alte, im Eigentum von Unternehmen stehende und selbst betriebene (Enterprise-)Rechenzentren. Viele davon erfüllen nicht ansatzweise die Anforderungen moderner Anlagen, etwa in puncto Effizienz − Stichwort Stromkosten, bei denen Deutschland einen unrühmlichen Spitzenplatz einnimmt, Nachhaltigkeit, Hochverfügbarkeit, Sicherheit, Anpassungsfähigkeit der physischen und digitalen Infrastrukturen oder Skalierbarkeit. Dabei wird es doch für Unternehmen immer wichtiger, geänderte Anforderungen wie Datensicherheit, branchen- oder unternehmensspezifische Compliance, Zusammenlegung von IT-Strukturen bei Fusionen und Übernahmen oder schnelles Wachstum umsetzen zu können. So werden die bislang selbst betriebenen Rechenzentren größtenteils obsolet. Bei den nicht mehr benötigten Datenzentren ist zu klären, ob diese beispielsweise abgerissen, zu einer anderen Nutzung umgewidmet oder vermietet werden sollten. In jedem Fall ist diese Prüfung im Gesamtkontext des Unternehmens-Standorts bzw. Immobilienportfolios zu analysieren.

Ausblick

Für den Research-Report „Rechenzentren in Deutschland“ hat JLL Anlagen von Data Center-Betreibern in den deutschen Big 7-Märkten erfasst. „Hier lag Frankfurt mit einer IT-Leistung von 459 Megawatt weit vorne, aber der Standort Berlin holt auf und wird sich ebenfalls zu einem Hotspot für die Rechenzentrumsbranche in Deutschland entwickeln“, erklärt Eric Holfert, Director Valuation & Transaction Advisory bei JLL. „Gleichzeitig erkennen wir, dass im europäischen Kontext Tier2-Märkte im Kommen sind, in diesem Fall Standorte außerhalb von FLAP(D), also Frankfurt, London, Amsterdam, Paris (und mit Abstrichen Dublin). I.d.R. geht es hier vor allem um Standorte wie Madrid, Mailand und andere Locations.“

Die Bedeutung von Rechenzentren sowohl für Investoren als Anlageoption als auch für Corporates im Zuge ihre Digitalisierungsstrategien nimmt stark zu. Betreiber differenzieren gleichzeitig ihre Geschäftsmodelle immer weiter aus, was ihre Anforderungen verändert. Auch das Nachhaltigkeitsthema lässt sich nicht mehr ignorieren, nicht zuletzt, da der Stromverbrauch eines Rechenzentrums dem einer Kleinstadt entsprechen kann. Die wichtigsten Treiber von Nachhaltigkeitsinitiativen sind dabei Kundenanforderungen, eine langfristige operative Belastbarkeit sowie regulatorische Vorgaben. So gibt es bereits Data Center, die ihre Abwärme zum Heizen von Wohngebäuden nutzen, und es gibt CO2-absorbierende sowie klimapositive Gebäude. Rechenzentren sind und bleiben also in mehrerlei Hinsicht ein hochdynamisches Immobiliensegment, dem künftig von verschiedenen Akteuren mehr Aufmerksamkeit zuteilwerden wird.